Was können Sie eigentlich tun, wenn Ihre Arztbehandlung schiefgeht? Gibt es eine rechtliche Handhabe, die Patienten gegenüber Behandlungsfehlern ihres Arztes haben und umgekehrt: Wie schützen sich Ärzte vor unangemessenen Schadenersatzforderungen ihrer Patienten? Der Schlüssel ist der Behandlungsvertrag, der die rechtliche Basis eines Arzt-Patienten-Verhältnisses darstellt. Unser 11880.com-Rechtsanwalt-Ratgeber erklärt die Besonderheiten und Feinheiten des Behandlungsvertrags sowie die Rechte und Pflichten beider beteiligten Parteien.
Was ist der Behandlungsvertrag?
Beim Behandlungsvertrag handelt es sich um einen zivilrechtlichen Vertrag und einen Dienstleistungsvertrag über eine ärztliche Behandlung. Der Behandlungsvertrag ist seit 2013 im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) definiert und entsteht sofort mit der Behandlung eines Patienten durch einen Arzt. Als mögliche dritte Vertragspartei kann zudem etwa eine Krankenkasse oder auch ein Krankenhaus hinzukommen.
Verpflichtungen aus dem Behandlungsvertrag
Wer auch immer noch als zusätzliche Partei hinzukommt, es geht im Wesentlichen immer um die ärztliche Seite und die Seite des Patienten. Die eine Seite gewährleistet im Behandlungsvertrag die medizinische Behandlung und verpflichtet sich zu deren fehlerfreier Durchführung. Die andere Seite, der Patient, verpflichtet sich zur Vergütung der ärztlichen Leistung, aber auch zu einem gewissen Maß an Mitarbeit in eigenem Interesse.
Wer kann Behandlungsverträge schließen
Neben Ihrem gewohnten Haus- oder Zahnarzt können gemäß § 630a BGB zum Beispiel auch Psychotherapeuten, Physiotherapeuten, Heilpraktiker, Ergotherapeuten oder Masseure einen Behandlungsvertrag abschließen. Ein Gegenbeispiel sind Tierärzte, Apotheker oder Optiker. Sie können keinen Behandlungsvertrag abschließen, weil sie nicht humanmedizinisch tätig sind. Dabei muss der Vertragspartner der ärztlichen Seite die Behandlung nicht zwangsläufig selbst ausführen, wenn er eine juristische Person ist – Beispiel Krankenhaus oder Praxisgemeinschaft. Auch eine Delegation der Behandlung ist möglich.
Hauptpflichten für Ärzte
Wer auch immer die Behandlung letztendlich ausführt: Der Behandlungsvertrag verpflichtet denjenigen zu einer ordentlichen Behandlung des Patienten unter Berücksichtigung des aktuellen Standes der Medizin und mit Hinblick auf die Verbesserung des Gesundheitszustandes des Patienten. Dazu gehören Diagnostik, Indikation und Therapie. Ein behandelnder Arzt ist durch den Behandlungsvertrag aber keinesfalls dazu verpflichtet, den Patienten vollständig zu heilen, das heißt, es besteht keine Pflicht zum Behandlungserfolg. Der behandelnde Arzt muss lediglich eine fachgerechte Behandlung vornehmen.
Wann die Behandlungspflicht nicht greift
Generell gehen Vertragsärzte grundsätzlich einen Behandlungsvertrag mit Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherungen ein, da hier eine Behandlungspflicht besteht. Der Behandlungsvertrag entsteht dann automatisch, also zum Beispiel durch den Besuch einer Sprechstunde, kann aber auch mündlich oder schriftlich abgeschlossen werden. Ausnahmen von der Behandlungspflicht ergeben sich für den Arzt zum Beispiel bei Überlastung, fehlender Gesundheitskarte, mangelnder Qualifikation des Arztes (Facharztvorbehalt) oder auch Unzumutbarkeit der Behandlung.
Hauptpflichten für Patienten
Letzterer Punkt zielt schon ein wenig darauf ab, dass natürlich nicht nur die Ärzte Verpflichtungen durch den Behandlungsvertrag auferlegt bekommen, sondern dass auch die Patienten sich in bestimmter Art und Weise verhalten müssen. So ist es Ihre Pflicht als Patient, die für die Behandlung vereinbarte Vergütung zu zahlen, meistens vertreten durch Ihre Krankenkasse. Das gilt aber nur für Arztkosten, die über die Beiträge der gesetzlichen Krankenkasse hinaus gehen, zum Beispiel bei Individuellen Gesundheitsleistungen (IGeL) oder Zusatzleistungen vom Zahnarzt. Bei allen von der Krankenkasse versicherten Zahlungen ist die Krankenkasse zur Zahlung verpflichtet, nicht der Patient. Hier hat dann wiederum der Arzt die Pflicht, über die voraussichtlichen Kosten vorab und schriftlich zu informieren. Privat Versicherte zahlen zunächst die Arztkosten selbst, um diese dann anschließend von der privaten Krankenversicherung erstattet zu bekommen.
Informationspflicht des Arztes
Sofern nicht aufschiebbar – zum Beispiel bei Unfällen und Notfällen – muss der Arzt seinen Patienten über die Behandlung im Vorfeld aufklären. Somit weiß der Patient, was auf ihn zukommt und hat dann die Chance, sich im Zweifel, beispielsweise bei zu hohem Risiko oder zu hohen Kosten, gegen die Behandlung zu entscheiden.
Das Arzthaftungsrecht enthebt den Arzt von dieser Aufklärungspflicht, wenn der Patient ausdrücklich keine Aufklärung wünscht oder die Informationen die Gesundheit oder gar das Leben des Patienten gefährden könnten. Ansonsten ist der Arzt verpflichtet, den Patienten über alle Aspekte einer Behandlung aufzuklären:
- Diagnose
- Gesundheitliche Entwicklung
- Therapieansatz
- Maßnahmen zur Nachbehandlung
- Aufklärung des Patienten über sein eigenes therapiegerechtes Verhalten
- Wirkung und Risiken von Eingriffen
- Hinweis auf Änderung der Lebensweise
Diese Sicherungsaufklärung, aber auch weitere, auf eine bestimmte Behandlung konkret Bezug nehmende Informationen müssen nach Behandlungsvertrag vom Arzt ausgerichtet werden, sofern der Patient nicht ausdrücklich widerspricht oder es gefährdend für ihn wäre.
Zudem müssen im Zuge der Risikoaufklärung folgende Punkte mit dem Patienten besprochen werden:
- Art der Behandlung
- Notwendigkeit / Dringlichkeit
- Erfolgschancen
- Umfang & Durchführung
- Folgen und/oder Risiken
Bleiben diese Informationen oder Teile davon aus, handelt es sich um einen Behandlungsfehler im Sinne des Arzthaftungsrechts, der zu Schadenersatzansprüchen seitens des Patienten führen kann. Ist der Patient ausreichend informiert, gilt es, vor der Behandlung dessen Einwilligung zur Behandlung einzuholen. Diese kann vom Patienten aber jederzeit widerrufen werden.
Informationspflicht des Patienten
Doch auch der Patient hat neben seinen Zahlungspflichten laut Behandlungsvertrag seinen Beitrag zur Mitwirkung zu leisten. Beide Parteien müssen einvernehmlich zusammenarbeiten. So muss der Patient seinerseits alle ihn betreffenden Umstände offenlegen, darf also dem Arzt keine relevanten Informationen vorenthalten, die die Behandlung entscheidend beeinflussen könnten. Den darauf basierenden Anweisungen (zum Beispiel Nüchternheit zu einer Operation oder Verbot bestimmter Nahrungs- oder Genussmittel) hat der Patient laut Behandlungsvertrag Folge zu leisten. Zudem muss der Patient falls nötig auch aktiv an der Therapie mitwirken. Verstößt er gegen diese Pflichten, betrifft ihn an einem eventuellen Scheitern der Behandlung eine klare Mitschuld.
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